Menschenrechtsbericht

2019

Verantwortung für die Menschen - Managementansatz

Einführung

Unsere Welt wandelt sich im Zeitraffer. Das ist eine Herausforderung, die wir als global vernetztes Handelsunternehmen möglichst gut meistern wollen und müssen. Mit einem großen Filialnetz in Europa, Mitarbeitern im Innen- und Außendienst und einem Geflecht internationaler Lieferketten sind wir vielen hunderttausend Menschen verpflichtet.

Seit der Gründung des Familienunternehmens im Jahr 1949 steht bei Tchibo der Mensch im Mittelpunkt. Schon unser Gründer Max Herz war überzeugt: Motivierte und qualifizierte Mitarbeiter sind elementar für ein erfolgreiches Familienunternehmen. Das gilt auch heute noch und erstreckt sich selbstverständlich auf die Menschen in unseren Lieferketten. Fairness im Umgang miteinander ist ein Fundament unserer Unternehmenskultur.

Verantwortung für die Menschen in unseren Lieferketten

Als traditionelles Handelsunternehmen ist Tchibo auf die Partnerschaft mit Lieferanten für Textilien und Gebrauchsartikel in Asien und Osteuropa (Link zu Produzentenliste/Weltkarte) angewiesen, die die Produkte herstellen, die wir unseren Kunden anbieten. Ein gutes Produkt besteht für uns aus verschiedenen Komponenten: ausgezeichnete Qualität, ein ansprechendes Design und faire Preise für unsere Kunden, gepaart mit ökologischer Nachhaltigkeit und sozialer Verantwortung. Dazu zählt die Verbesserung von menschenrechtenrechtlichen Standards in der Herstellung und Partnerschaftlichkeit mit unseren Lieferanten.

So sehr die Globalisierung große Chancen für Menschen in den Herstellerländern und unsere Kunden bieten, so sehr birgt sie aber auch spezifische Risiken. Dazu zählt die Missachtung von Arbeits- und Sozialrechten, die in vielen Herstellerländern und Produktionsstätten eher die Regel als die Ausnahme ist. Wir haben den Anspruch, die Chancen und Risiken zum Wohle der beteiligten Menschen auszubalancieren und sie in die Veränderungsprozesse einzubeziehen. Wir nehmen unsere Verantwortung ernst und sind der Überzeugung, dass unternehmerischer Erfolg nicht zulasten der Menschen in unseren Lieferketten gehen darf. Er muss einen Beitrag zur menschenwürdigen gesellschaftlichen Entwicklung leisten. Diese Ambition nehmen wir sehr ernst und verfolgen sie seit vielen Jahren intensiv mit einer Vielfalt an Maßnahmen.

Menschenrechtliche Sorgfalt ist ein integraler Bestandteil unserer Geschäftspraktiken. Die Grundlage für unsere Arbeit sind die UN Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und damit die Anforderungen des --Nationalen Aktionsplans für Wirtschaft und Menschenrechte (NAP). Wir folgen der Leitlinie, Menschenrechte zu achten, etwaigen Verletzungen systematisch vorzubeugen und Verstöße durch gezielte Maßnahmen und stetige Verbesserungen zu beheben. Dieses Verständnis begründet – neben der von uns empfundenen Selbstverständlichkeit – dass wir uns im Zuge des Shutdowns vieler Lieferländer durch Covid-19 dazu entschlossen haben, keine Aufträge zu stornieren, längere Lieferzeiten zuzulassen und Ware, die bereits produziert wurde, auch abzunehmen und zu bezahlen.

Die Prinzipien menschenrechtlicher Sorgfaltspflicht

Der NAP setzt die Vorgaben der Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen (UN Guiding Principles on Business and Human Rights) in Deutschland um. Die darin verankerte menschenrechtliche Sorgfaltspflicht basiert auf fünf Pfeilern:

  1. Grundsatzerklärung und Richtlinien
  2. Abschätzung besonderer Risiken und Auswirkungen auf Menschenrechte
  3. Maßnahmen treffen und überprüfen
  4. Beschwerdemechanismen einrichten
  5. Transparent berichten

Diese Prinzipien werden ebenso von den OECD Leitsätzen für multinationale Unternehmen erhoben und auf dieser Basis von Mitgliedern des Textilbündnis erwartet.

Grundsatzerklärung und Richtlinien

Unser unternehmerisches Handeln stützt sich auf weltweit anerkannte Standards und Richtlinien. Deren wesentliche Prinzipien sind im Tchibo Code of Conduct (CoC) verbindlich festgelegt und gelten als Richtschnur für das Handeln aller Mitarbeiter bei Tchibo. Für die Produzenten unserer Gebrauchsartikel sowie unsere Dienstleister und Kooperationspartner gelten die im Tchibo Social and Environmental Code of Conduct (SCoC) definierten Mindestanforderungen an Arbeitsbedingungen und Umweltstandards. In unserer Grundsatzerklärung gemäß NAP und UN Leitprinzipien sind alle Grundlagen unseres Handelns zusammengefasst.

Abschätzung besonderer menschenrechtlicher Risiken

Unsere unternehmerische Sorgfaltspflicht beginnt damit, mögliche nachteilige Auswirkungen unseres Handelns auf Menschenrechte zu erkennen, zu verstehen und zu vermeiden. In einem umfassenden Prozess haben wir 2012 die Menschen- und Arbeitsrechte identifiziert, die in globalen Lieferketten für Gebrauchsartikel besonders unter Druck stehen. Die Analyse führen wir seitdem kontinuierlich weiter.

Wir betrachten dabei die für Tchibo relevanten Industriesektoren, Stufen in den Lieferketten, nationale Kontexte und lokale Besonderheiten. Wir wägen ab, wie wahrscheinlich eine Menschenrechtsverletzung ist, wie schwer die Auswirkungen auf Betroffene wären und wie gut sie durch den Einfluss von Tchibo vermieden werden kann. Auch die menschenrechtliche Situation in den Herstellerländern bewerten wir regelmäßig anhand von

Veröffentlichungen von Menschenrechtsorganisationen und Forschungsinstituten. Die Ergebnisse dieser Analysen fließen in unsere Einkaufsstrategie ein und bilden die Basis für unsere operative Menschenrechtsarbeit.

Besondere Menschenrechtsrisiken in unseren Lieferketten für Gebrauchsartikel

Handlungsfeld

Verortung in der Lieferkette

Gesundheits- und Arbeitsschutz

Fertigung, Vorstufen, Rohstoffe

Vereinigungsfreiheit und Recht auf Kollektivverhandlungen

Fertigung, Vorstufen

Existenzsichernde Löhne

Fertigung, Vorstufen, Logistik/Transport

Diskriminierung, Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz

Fertigung, Vorstufen

Zwangsarbeit bzw. Moderne Sklaverei

Vorstufen, Rohstoffe, Logistik/Transport

Kinderarbeit

Vorstufen, Rohstoffe

Arbeitszeit

Fertigung, Logistik/Transport

Maßnahmen treffen und überprüfen

Die signifikanten und relevanten Risiken bearbeiten wir in unseren Lieferketten mit gestaffelten Maßnahmen. Wir priorisieren dabei die Bereiche, in denen unsere Auswirkungen auf die Menschen am größten sind und wo wir gleichzeitig am meisten Einfluss nehmen können:

  • Aufbau langfristiger Partnerschaften mit Lieferanten, Produzenten und Zivilgesellschaft
  • Kontinuierliche Weiterentwicklung von verantwortungsvollen Geschäftspraktiken
  • Programme zur Verbesserung von Arbeits- (und Umwelt)bedingungen auf Herstellungs- und Rohstoffebene
  • Entwicklung von innovativen Ansätzen und branchenweiten Allianzen, um systemische Herausforderungen gemeinsam zu lösen

Menschenrechtliche Maßnahmen im Bereich Gebrauchsartikel

Risiken erkennen und ausschließen (Monitoring)

Ein grundlegender Bestandteil dieser Strategie ist es, dass wir auf langfristige Partnerschaften mit Lieferanten und Produzenten setzen und ihnen möglichst hohe Planungssicherheit geben. Das bietet die Möglichkeit, die Bedingungen in der Lieferkette nachhaltig zu verbessern. Die Fabriken wählen wir nach strengen Richtlinien aus, um zu gewährleisten, dass sie unseren Anforderungen an Qualität und Verantwortung gerecht werden. Die Einhaltung unserer menschenrechtlichen und umweltbezogenen Richtlinien überprüfen wir durch unser umfassendes Monitoringprogramm.

Beschäftigte stärken

Schon seit einigen Jahren wird in der „Nachhaltigkeitsszene“ immer klarer, dass Audits nicht in der Lage sind, die Realität in den Fabriken vollständig aufzudecken, selbst wenn sie mit größter Sorgfalt und Tiefe ausgeführt werden. Das Instrument kommt hier an seine natürlichen Grenzen. Audits sind nur eine Momentaufnahme der Situation vor Ort und geben kaum Anreiz, dauerhafte Veränderungen anzustoßen. Für die tatsächliche Bearbeitung menschen- und arbeitsrechtlicher Probleme nutzen wir unser WE Programm. Über WE unterstützen wir jene Hersteller, mit denen wir enger zusammenarbeiten. WE ist das Herz unseres Menschenrechtsprogramms, auf das wir sehr stolz sind.

Sozialen Dialog etablieren

Arbeitsrechte können nur dauerhaft etabliert werden, wenn Beschäftigte selbst in der Lage sind und die Möglichkeit haben, ihre Interessen zu vertreten. Arbeitnehmervertretungen und Gewerkschaften sind die Instrumente, die sie nachhaltig dazu befähigen, die Einhaltung ihrer Rechte am Arbeitsplatz einzufordern und zu überwachen. Deswegen arbeiten wir mit der internationalen Dachgewerkschaft IndustriALL Global Union zusammen.

Branchenweiten Wandel anstoßen

In unseren Branchen haben wir oft mit Herausforderungen zu kämpfen, die systemisch sind. Sie sind tief in der globalen Arbeitsteilung verankert, zum Beispiel niedrige Löhne. An diesen Stellen kommen wir alleine nicht weiter. Wir brauchen Zusammenarbeit mit Gleichgesinnten, mit denen wir gemeinsam an diesen Herausforderungen arbeiten. Zusammen verändern wir uns und die Welt zum Besseren.

Effektive Beschwerdemechanismen

Beschwerdemechanismen sind ein zentraler Pfeiler, um Menschenrechte und Umweltschutz in Lieferketten dauerhaft zu verankern. Sie helfen Tchibo dabei, Missachtung von Arbeits- und Umweltstandards zu identifizieren und im nächsten Schritt gemeinsam mit Betroffenen und Verursachern Abhilfe zu schaffen. Dabei müssen sie Hand in Hand mit unseren anderen Maßnahmen gehen.

Fortschritte, Erreichtes und Ziele

Wir wollen die Menschen in unseren Lieferketten insbesondere dadurch unterstützen, dass wir ihnen Räume schaffen, in denen sie ihre eigene Kraft entdecken und ihre Stimme finden können, um ihre Rechte zu verhandeln. Uns ist es wichtig, den ehrlichen Dialog zwischen den Beschäftigten und dem Management zu fördern. Zudem arbeiten wir kontinuierlich daran, unsere Wertschöpfungsketten transparenter zu machen, um auch auf tieferen/vorgelagerten Stufen Veränderungen zu bewirken. All dies erfordert Zeit, Mut und Kooperation.

Wie alles anfing

Im Jahr 2005 demonstrierte die Kampagne für Saubere Kleidung gegen Arbeitsbedingungen bei Tchibo Produzenten in Bangladesch. Zwei unserer Lieferanten hatten jeweils über 200 Beschäftigten entlassen, weil sie sich in Arbeitnehmervertretungen und Gewerkschaften engagierten. Grund für ihr Engagement waren vor allem überlange Arbeitszeiten und erzwungene Überstunden. Die Vorwürfe wogen schwer, denn die Menschen stehen bei uns im Mittelpunkt. Ein Besuch in Bangladesch Anfang 2006 verdeutlichte, dass wir nicht nur Verantwortung für unsere eigenen Mitarbeiter tragen, sondern auch für die Menschen entlang unserer Lieferketten. Ein Wendepunkt für das Unternehmen und der Anfangspunkt unserer heutigen Arbeit.

In den vergangenen 14 Jahren haben wir ein umfassendes Menschenrechtsprogramm für die Produktion unserer Gebrauchsartikel aufgebaut: Es geht weit über die in der Branche üblichen Fabrikaudits hinaus, zeichnet sich durch unser umfang- und tiefgreifendes Fabrikprogramm WE aus, setzt auf Partnerschaften und ehrgeizige Sektoransätze. Wir haben vor, diese Arbeit, die kontinuierlich Einsatz und Investition bedarf, fortzusetzen. Unser Engagement wird dabei extern – auch von Menschenrechtsaktivisten – anerkannt. Es erfüllt uns mit stolz zu sehen, wieviel wir heute schon in unseren Lieferketten bewegen konnten. Besonders berühren uns die Geschichten von Beschäftigten aus dem WE Programm, die Dinge verändert haben, in den Fabriken und in ihrer Lebensumgebung, weil sie sich heute stärker fühlen, ihren Mut gefunden haben und wissen, dass wir auch mit unseren Trainern vor Ort an ihrer Seite sind.

Trotzdem sind wir nicht am Ende unseres Weges angekommen. Fortlaufend überprüfen, hinterfragen und verbessern wir unsere Herangehensweise, Arbeits- und Sozialrechte zu sichern. Gemeinsam mit unseren Stakeholdern in Europa und Asien, Lieferanten und Beschäftigten lernen wir ständig neue Herausforderungen kennen, die wir bislang nicht im Blick hatten oder die neu entstanden sind. Zwei Beispiele: Für die Türkei haben wir unsere Einkaufsrichtlinien und Verbesserungsmaßnahmen im Jahr 2018 angepasst, um auch syrische Flüchtlinge, die in der Bekleidungsindustrie angestellt sind, vor Arbeitsrechtsverletzungen zu schützen. 2019 rückte staatlich organisierte Zwangsarbeit der muslimischen Minderheit der Uiguren in China in den Fokus; wir sind noch dabei, die Relevanz in unseren Lieferketten zu ermitteln.

Für die Jahre 2020 bis 2022 haben wir uns vorgenommen, unser menschenrechtliches Managementsystem auf Basis des Nationalen Aktionsplans für Menschenrechte (NAP) noch tiefer zu verankern, und – wo relevant – weitere Unternehmensbereiche mit in den Blick zu nehmen. Mit einer Fortsetzung unserer Risikoanalysen wollen wir bisher unerkannte Lücken in unserem Verhalten erkennen und uns verbessern. In diesem Zuge werden wir unsere menschenrechtlichen Anforderungen für unsere Kaffeelieferketten überarbeiten. Unsere Beschwerdemechanismen werden einer gründlichen Überprüfung unterzogen. Außerdem legen wir die Grundsteine für eine bessere Erhebung von Lieferkettendaten, um noch bessere öffentliche Transparenz für unsere Stakeholder zu ermöglichen. Wir freuen uns diese Herausforderungen.

Risiken erkennen und abschließen (Monitoring)

Welcher Herausforderung stellen wir uns?

Ein wichtiges Merkmal des Tchibo Produktangebotes ist, dass wir unsere Produkte selbst entwerfen und auch die Qualitäts- und Nachhaltigkeitsstandards, die häufig über dem Marktniveau liegen, selbst definieren. Um diese gut umzusetzen, arbeiten wir mit langjährigen Partnern zusammen und bündeln unsere Einkaufsvorhaben. Jährlich kaufen wir so bei ca. 700 Fabriken größtenteils in Asien und Europa ein; davon stellen 200 bis 300 Textilien her – bei unser großen Auswahl an Produkten sind das nicht viele Zulieferer. Viele Produktionsstätten sind auf bestimmte Produkte spezialisiert. Um neue Produkte und Produktinnovationen anzubieten sowie wettbewerbsfähig zu bleiben, setzen wir deshalb – neben langjähriger Zusammenarbeit – auch immer wieder auf neue Zulieferer und Hersteller. Mit unserem Monitoringprogramm wählen wir diejenigen Fabriken aus, die einen Mindeststandard in Bezug auf Menschen- und Arbeitsrechte sowie Umweltaspekte einhalten. Mit Fabriken, bei denen wir regelmäßig einkaufen, arbeiten wir mit den Beschäftigten und Arbeitnehmervertretern sowie dem Management gemeinsam daran, Verbesserungen umzusetzen.

Mit dieser Strategie und diesem Maßnahmen meistern wir die Herausforderung

In unserem Risikomanagement bewerten wir die menschenrechtliche Situation in unseren Herstellerländern und Produktionsstätten. Für die Analyse der Herstellerländer greifen wir auf Veröffentlichungen von anerkannten Menschenrechtsorganisationen, Gewerkschaften und Forschungsinstituten sowie unsere eigene Erfahrung von vor Ort zurück. Daraus ergeben sich zum einen thematische und länderspezifische Richtlinien, in denen wir die allgemein gültigen Anforderungen des Tchibo Social and Environmental Code of Conduct (SCoC) konkretisieren.

Zum anderen führen wir alle zwei Jahre eine Bewertung aller Herstellungsländer durch und gruppieren diese in fünf Kategorien:

  1. keine menschenrechtliche Überprüfung der einzelnen Produktionsstätte nötig
  2. Überprüfung von Arbeitsrechten und Umweltstandards im Rahmen von Qualitätsaudits
  3. eintägige externe Sozial- und Umweltaudits
  4. zweitägige externe Sozial- und Umweltaudits
  5. generell kein Einkauf erlaubt.

Download: Tchibo Social and Environmental Country Risks and Policies (PDF)

In den Sozial- und Umweltaudits überprüfen wir die im Tchibo SCoC festgelegten Standards. Die Auditierung von neuen Fabriken erfolgt vor der Vertragsunterzeichnung mit dem Lieferanten. Das Auditergebnis bestimmt die Einkaufsentscheidung: Nur wer die Mindestanforderungen erfüllt, wird in unser Portfolio aufgenommen – unabhängig von Produkt und Bestellvolumen. Vor der Behebung von Null-Toleranz-Verstößen dürfen keine Aufträge bei dem Produzenten platziert werden; zu diesen zählen beispielsweise blockierte Notausgänge, fehlende Arbeitsverträge, Bezahlung unter dem gesetzlichen Mindestlohn oder in das Grundwasser austretende Chemikalien. Bei anderen Verstößen – beispielsweise das Nicht-Tragen vorhandener Schutzkleidung, unvollständige Arbeitsverträge, verspätete Lohnzahlungen oder fehlende Sicherheitsbeschriftung auf Chemikalien – geben wir den Produzenten mehr Zeit, diese zu beheben. Aufträge können platziert werden, wenn Lieferanten Verbesserungspläne vorlegen.

Um die Verbesserungen der Arbeitsbedingungen bei Fabriken, mit denen wir regelmäßig zusammenarbeiten, zu unterstützen, setzen wir auf das Dialogprogramm WE. Produzenten, die nicht durch unser WE Programm abgedeckt sind, auditieren wir alle drei Jahre. Diesen Fabriken räumen wir eine Frist von vier Wochen ein, um Null-Toleranz-Mängel zu korrigieren. Wird diese Frist nicht eingehalten, wird der Hersteller gesperrt. Er erhält keine neuen Aufträge bis die Mängel abgestellt sind. Damit signalisieren wir, dass die vorgefundenen Verstöße

inakzeptabel sind, aber geben dem bestehenden Geschäftspartner gleichzeitig Zeit, diese zu beheben. Schließlich geht es auch hier um Arbeitsplätze und Löhne von Beschäftigten.

Grafik Monitoringprozess

Dem Anspruch, dass Audits in der Lage sind, ein tatsächliches Bild über die Einhaltung von Menschen- und Arbeitsrechten in Fabriken zu ergeben und die Umsetzung zu überprüfen, stehen wir kritisch gegenüber: Sozialaudits stoßen an Grenzen, wenn es darum geht, langfristig Fortschritte zu erzielen. Sie zeigen in der Regel nur die zum Zeitpunkt der Prüfung offenkundigen Mängel. Das bedeutet, dass Aspekte wie Diskriminierung, sexuelle Belästigung oder auch Gewerkschaftsfreiheit schwer zu erkennen und schon gar nicht im Fortschritt überprüfbar sind. Oft bestätigen Audits, dass diese Anforderungen erfüllt werden. Viele wissenschaftliche Untersuchungen und unsere Erfahrungen in Produktionsländern sagen uns jedoch etwas anderes.

Wir konzentrieren uns deshalb auf Kriterien, bei denen wir auch durch punktuelle Fabrikbesuche einen Einblick in die Fabriksituation erhalten: Arbeits- und Gesundheitsschutz, Personalmanagementsysteme und sichtbare Umweltverschmutzung. Im Gegensatz dazu fragen wir Diskriminierung und Verstöße gegen das Recht auf Vereinigungsfreiheit in unseren Auditformaten gar nicht erst ab, sondern gehen von vornherein davon aus, dass die Vorgaben nicht eingehalten werden. Verbesserungen in diesen Bereichen erzielen wir mit unserem Dialogprogamm WE und unserer Arbeit mit Gewerkschaften. Mit diesen Ansätzen begegnen wir auch anderen Schwachstellen von Audits wie fehlender Mitarbeiterbeteiligung und die Praxis doppelter Buchhaltung.

Die Durchführung von Audits bindet bei allen Beteiligten erhebliche Ressourcen. Personalabteilungen der Hersteller berichten immer wieder, dass wöchentlich oder sogar täglich Audits stattfinden. Es bleibt kaum Zeit, sich um die Belange der eigenen Mitarbeiter zu kümmern. Um die Arbeit für alle etwas leichter zu gestalten, akzeptieren wir auch Prüfergebnisse unabhängiger Standardorganisationen, die der Produzent einreichen kann. Sie müssen allerdings alle Themen abdecken, die wir als Null-Toleranz-Mängel gegenüber unserem SCoC eingestuft haben. Gegebenenfalls prüfen wir bestimmte Punkte unserer Null-Toleranz-Anforderungen trotzdem ab. Auch Folgeaudits, die die Verbesserung von Mängeln kontrollieren, versuchen wir zu vermeiden. Wenn wir anhand von Foto- und Videomaterial feststellen können, dass ein Mangel behoben wurde, akzeptieren wir dies als Beleg. Bei Handelspartnerschaften mit anderen namhaften Marken verzichten wir auf die eigene Auditierung, wenn die Hersteller ein eigenes Programm zu Einhaltung von Menschen- und Umweltstandards nachweisen können.

Diese externen Auditstandards lassen wir in unseren Überprüfungen auch zu:

  • BSCI
  • WRAP
  • Smeta 4-Säulen-Audit
  • SA 8000 mit ISO

Es ist uns wichtig, langfristige Geschäftsbeziehungen zu unseren Produzenten aufzubauen So können wir die Umsetzung von Maßnahmen, die aus unserer Auditbewertung hervorgehen, regelmäßig prüfen und vor allem begleiten. Die Partnerschaft bei Verstößen automatisch zu beenden, ist nicht hilfreich. Denn das führt dazu, dass Fabriken viel daransetzen, Missstände zu verheimlichen. Die Beendigung der Geschäftsbeziehung ist stets das letzte Mittel, wenn ein Produzent nicht gewillt ist, Verbesserungen umzusetzen.